Die Suche nach der Bildlichkeit von Musik bedarf Komplizen. Stellen Sie sich ein Netzwerk von Musikliebhabern vor, die, gedeckt durch einen bildlichen Code, gemeinsam lernen, auf neue, assoziative Weise über Musik zu kommunizieren. Kinder, die von der Notenschrift nichts wissen wollen, aber Graffiti lieben. Musikschaffende, die für die Entdeckung neuer Klangwelten den alltäglichen Weg verlassen wollen/müssen/dürfen. Alte Menschen, die nicht mehr beginnen möchten, aber doch aus einem Schatz von Erfahrungen, neu verknüpft, schöpfen.
Eine meiner Komplizinnen ist Y., wir streiten über den rechten Weg zur Visualisierung von Klängen – intuitiv, emotional oder doch regelhaft beschreibbar, mathematisch abstrakt. Y., die Mathematikerin, bevorzugt den emotionalen Weg. Christian Kabuß, der Maler (und diplomierte Produkt-Designer), hält mit Notationsregeln dagegen. So schaffen wir beides – eine intuitive doch vermittelbare, mit den Anderen austauschbare Bildwelt.
Gegenstand unseres Streites ist ein Lied aus Y.s Heimat, China. Y. singt sehr schön, ihr Mann begleitet sie auf dem Klavier.
Dies ist das Werk des ersten Momentes, des ersten Tones des Liedes, das Yuanhui für mich gesungen hat. Das Integral einer Zeitspanne, eines Klanges. Um das Flüchtige des Augenblickes einzufangen, bekommt das großformatige Werk den Charakter einer Zeichnung. Die Flüchtigkeit beruft sich – für den aufmerksamen, analytischen Betrachter – auf wenige figurative Ankerpunkte. Begonnen mit Strukturen von Zeichenkohle auf dem rohen Malgrund aus Holz, stellt das Werk das sekundär verwendete Gesso als eigenständige, formal wirksame Malschicht heraus. Die Vollendung zum Ganzen dann im Wechselspiel von schwarzer Kreide und weißer Ölfarbe.